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Vogesen: Etappe 2

Ausgeruht und leidlich gestärkt — das typisch französische Frühstück aus wenig Baguette und viel Milchkaffee ist immerhin erweitert um eine üppige Portion Munsterkäse — geht’s an die letzten 150 Höhenmeter zum Gipfel des Petit Ballon. Meist schiebend: Der Wanderweg führt quer über eine Viehweide und ist nach dem Regen der letzten Nacht tief verschlammt. Das Panorama auf 1272 Metern lässt an diesem trüben Tag leider zu wünschen übrig, deshalb gleich zügig weiter entlang der G.R. 532.

Nun ja, „zügig“ entpuppt sich bald als Wunschdenken. Alle paar hundert Meter gilt es einen Weidezaun zu überqueren, weil der Durchlass für Radwanderer unterdimensioniert ist: Packtaschen von den Trägern nehmen, Rad übern Zaun wuchten, Taschen hinterher, etc. Zudem ist der Pfad knifflig — an den steilen, glitschigen Felsstufen hätten Trial-Akrobaten ihre Freude, aber die haben auch keine 20 Kilo Gepäck am MTB hängen. So lege ich während der ersten zwei Stunden der Etappe gerade mal drei Kilometer zurück, habe dabei aber reichlich Gelegenheit, die karge, windumtoste Landschaft zu genießen.

Farbenpracht zwischen Petit Ballon und Hilsenfirst

Ab dem Col du Hilsenfirst wird die Piste wieder freundlicher. Durch dichten Wald, dann über einen steilen Wiesenhang geht’s bergab Richtung Lac de la Lauch, sanft und teils sogar asphaltiert wieder hinauf zur Route des Crêtes, der Vogesenkammstraße. Meine Planung für den Rest des Tages sieht vor, von hier ins Tal der Thur abzufahren und dann wieder Richtung Lac des Perches aufzusteigen, um am nächsten Tag einen Schlenker über den Ballon des Vosges zu machen. Aber manchmal kommt es anders …

Die vermeintliche Abfahrt auf einem gut beschilderten Wanderweg nach Wesserling erweist sich nach wenigen hundert Metern als Abstieg der üblen Sorte. Auf der Wanderkarte sieht das alles nicht steil aus, aber der nasse Pfad ist über weite Strecken extrem ausgesetzt und so schmal, dass man fahren muss, weil zum Schieben kein Platz ist. Auf seine Weise macht das durchaus Spaß, Nerven aus Stahl vorausgesetzt — aber auch hier bin ich wieder drei Stunden für ein paar Kilometer unterwegs, und zu allem Überfluss fängt es auf halber Höhe an zu regnen wie aus Eimern.

Im trostlosen Tal der Thur angekommen, beschließe ich halbherzig, den Aufstieg Richtung Tête du Rouge Gazon noch in Angriff zu nehmen. Macht schon die schwerlastverkehrverseuchte Landstraße zum Col de Bussang wenig Freude, so ist die sich anschließende enorm steile Forststraße bei nach wie vor katastrophalen Witterungsverhältnissen eine ziemliche Quälerei. Und als nach ein paar Kilometern Schotter der Weg erneut in eine unabsehbar lange Kletterei mündet, wird mir — es wird bereits dämmrig — die Sache zu riskant: Ich drehe um und teste die Zuverlässigkeit der Scheibenbremsen unter Extrembedingungen (Test souverän bestanden).

Im Tal erweist sich die Suche nach einer Unterkunft als unerwartet schwierig. Einige Kilometer bei permanentem Regen werden es noch, bevor ich in Kruth ein nicht verrammeltes Hotel finde. Wie sich herausstellt, ist heute der letzte Tag vor den Betriebsferien und ich bin der einzige Übernachtungsgast, aber das kann mir egal sein.

54,7 km, 1150 Höhenmeter

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