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  Nimm’s (nicht allzu) leicht

(Achtung, viel Text. Lieber gleich weiter zur Liste?)

Im Detail:
Auswahl der Packtaschen
Inhalt der Werkzeugtasche
Inhalt der Lenkertasche
Bekleidung
Pflege
Sonstiges

Dass auf einer Radreise durchs Gebirge Beschränkung beim Reisegepäck angesagt ist, versteht sich von selbst. Umgekehrt halte ich jedoch auch nichts davon, beispielsweise ultraleichtes Werkzeug von bescheidener Standfestigkeit zu kaufen oder kein einziges Kleidungsstück für Dauerregen in Reserve zu haben, bloß um ein paar Gramm extra zu schinden. Hier gilt es, eine zweckmäßige Balance zu finden, und möglicherweise werden Sie zwei oder drei Reisen brauchen, um herauszufinden, welche Ausrüstung für Sie essenziell ist.

Bei der Beladung ist vor allem auf günstige Lastverteilung zu achten. Das für Ihre Zwecke geeignete Verhältnis zwischen hinterem und ggfs. vorderem Taschengewicht müssen Sie im Selbstversuch ermitteln; es hängt von der Eigengewichts-Verteilung des Fahrrades ebenso ab wie davon, ob man nur auf befestigten Straßen fährt — dann gern vorn mehr, weil es die Lenkung stabilisiert [1] — oder mit Schiebe- und Tragepassagen rechnet (dann lieber ausgewogen). Wenn ich das ganze Taschenprogramm dabei habe, lasten etwa 60% des Gewichts auf dem Vorderrad, die leichten, aber voluminösen Ausrüstungsgegenstände sind hinten verpackt.

Im Folgenden beschreibe ich beispielhaft, was sich auf Tour in meinen Taschen findet und warum. Wollen Sie nicht so viel lesen? Eine stichwortartige Liste für eine mehrwöchige Rennradtour gibt’s hier.

Die Packtaschen selbst
Hier an Gewicht oder auch Geld zu sparen ist grundfalsch. Schließlich werden die guten Stücke unterwegs erheblichen Strapazen ausgesetzt – ob bei der Bahnverladung, auf holprigen oder gar überwucherten Waldpfaden oder auch nur, wenn man das Rad mal schnell an einen Dorfbrunnen lehnt. Besonderes Augenmerk sollte also der Abriebfestigkeit des Obermaterials gelten sowie der Qualität der Aufhängung.

Ich verwende ausschließlich wasserdichte Taschen (die schwerere Linie von Ortlieb, teilweise schon seit fünfzehn Jahren im Reise- und Alltagsgebrauch und immer noch wirklich dicht). Da diese Taschen auch ziemlich luft- und „aromadicht“ sind, räume ich zumindest die Bekleidung meist über Nacht zum Lüften aus. Fürs große Gepäck sind je ein paar Front- und Backroller im Einsatz, dazu die größere Ortlieb-Lenkertasche für Kamera und Wertsachen. Wenn wir auf Campingtour gehen [2], gesellt sich dazu noch ein Seesack desselben Fabrikats (nein, ich werde von der Firma nicht gesponsert, aber die Produkte sind einfach gut). Bei Rennrad-Touren benutze ich lediglich die beiden Frontroller hinten und evtl. den Seesack.

 
 

Das meiste Werkzeug steckt neuerdings in einer Satteltasche, ebenfalls von Ortlieb. Deren Befestigung ist allerdings zu manchen (Brooks-)Sätteln inkompatibel; hier muss man sich mit Packriemen behelfen.

Inhalt der Werkzeugtasche
¶ ein zum Rad passendes Multiwerkzeug (fürs Rennrad ein „Power 21“, fürs MTB ein „Alien XL“, beide von Topeak), Pitlock-Nüsse, ein Leatherman Tool, zwei Konusschlüssel, beim MTB noch ein kleiner Gabelschlüssel („Knipex Cobra“),

¶ zwei Putzlappen (einer für Fett, einer für nichtfettigen Schmutz), etwas Kugellagerfett und Kettenöl (kleckerdicht verpackt), fürs MTB noch ein 20-ml-Fläschchen „RedRum“ für die Federgabel,

¶ zwei Schläuche, Flicken und Vulkanisierpaste, Reifenheber (der pfiffige „Syntace Speed Lever“), eine Luftpumpe („Topeak Einstein“), Adapter von Autoventil (Tankstelle) auf frz. Ventil,

¶ einige Kettenglieder, ggfs. Reservebirnchen, Bremsbeläge, je ein Schalt- und ggfs. Bremszug, ein paar Ersatzschräubchen (passend etwa für den Gepäckträger), Gewebeband, einige Kabelbinder, eine oder zwei Plastiktüten.

(An sperrigerem Schrauberbedarf wäre da noch ein Reserve-Faltreifen, für längere MTB-Touren zudem Ersatz-Bremsscheiben. Die sind zwar relativ schwer, aber zumindest vorn sitzt die Scheibe recht exponiert, und sollte sie sich bei einem Sturz verbiegen, wäre an Weiterfahren nicht zu denken … All das kommt in eine der Packtaschen.)

Inhalt der Lenkertasche
Die Lenkertasche enthält normalerweise eine Kamera (Details dazu hier), außerdem Geld, Ausweise etc., die an diesem Tag benutzte Landkarte nebst Leuchtmarker sowie den Tagesbedarf an Müsliriegeln. Bei letzteren bin ich nicht ideologisch festgelegt: Das können Frucht- oder Nussschnitten aus dem Reformhaus ebenso sein wie PowerBars (vorzugsweise in der Variante ?Harvest?) bzw. ein, zwei Tübchen PowerGel, dazu eine Tüte Mandeln. Ich rechne pro Tag, den ich in Folge nicht in eine nennenswerte Stadt komme, zwei bis drei Riegel als Vorrat. Bananen, Schokolade und ähnliche Energiespender kann man ja unterwegs nahezu überall kaufen.

A propos Lebensmittel: In den Bergen trinkt man sehr viel. Mein Durchschnitt liegt bei ca. 6 Litern Wasser täglich, dazu kommen diverse Kübel Milchkaffee (mich testet ja niemand auf Koffeinmissbrauch). Zwei Flaschenhalter am Rad sind sinnvoll, ich verwende Plastik-Radflaschen à 1 Liter. Glücklicherweise kommt aus den Brunnen fast aller Alpenregionen Trinkwasser / eau potable / acqua potabile. Wem’s schmeckt, der kann das klare Nass ja mit Isobrausepulver anreichern. Das klebt dann aber, wenn man es sich erfrischungshalber über den Kopf träufelt … Wenn’s mit dem MTB in abgelegene Regionen geht, steckt außerdem eine Literflasche Wasser als Reserve in der Lowridertasche.

Bekleidung
Bei sportlichen Aktivitäten im Gebirge kommen die Vorzüge von Funktionsbekleidung gegenüber Baumwolle und Co. voll zum Tragen. Vor allem den Feuchtigkeitstransport nach außen weiß man zu würdigen, wenn man nach zwei Stunden Schwitzerei an der Passhöhe ankommt und die körpernächste Bekleidungsschicht noch (fast) trocken ist. Optimale Wirkung erziele ich, wenn ich unter einem nicht zu weiten Trikot ein leichtes Unterhemd trage (etwa von Odlo oder Patagonia). Sowohl Trikot als auch Unterhemd sind nach der abendlichen Handwäsche am nächsten Morgen zuverlässig wieder trocken, insofern würde man notfalls mit einem Satz auskommen; ich nehme dennoch zwei mit, um bei penetrant nasser Witterung mittags wechseln zu können – so viel Luxus muss sein.

Die Radhose (vor allem das Innenpolster) ist morgens meist noch feucht, deshalb habe ich davon auch zwei dabei; außerhalb des Hochsommers sicherheitshalber drei. Brauchbare Radhosen habe ich lange gesucht: Die Läden hängen voll mit labberigem, viel zu dünnem Zeug, aber solche aus schwererem, haltbarem Stoff sind kaum zu finden. Seit einigen Jahren benutze ich Radhosen der kanadischen Firma Sugoi, die zwar etwas teurer sind, aber von hervorragender Qualität und Passform.

Ob man spezielle Radsocken braucht, ist Geschmackssache. Mal nehme ich baumwollene mit, mal solche aus Funktionsfasern, und ich konnte bislang keine nennenswerten Unterschiede feststellen – weder im Tragegefühl noch in den Trocknungseigenschaften. Typischerweise habe ich im Sommer zwei Paar kurze und ein Paar längere Socken dabei.

Für die Schuhe gilt: Je steifer die Sohle, desto besser die Kraftübertragung. Für Geländetouren nehme ich knöchelhohe, auf dem Rennrad flache MTB-Rennschuhe. Als Pedalsystem nutze ich SPD, weil es Anfang der 90er Jahre das einzige mit versenkten Schuhplatten (und entsprechend besserem Laufkomfort) war. Im Gepäck stecken zusätzlich ein Paar Amphibiensandalen (Teva), die nach einem langen Radeltag erstens bequemer sind als die Radschuhe und zweitens auch schmuddelige Hotelduschen leidlich erträglich machen.

Regenbekleidung ist ein leidiges Thema: Alles, was ich bislang ausprobiert habe, ist entweder atmungsaktiv oder wasserdicht. Aktuell benutze ich als Wind- und (mäßigen) Wetterschutz im Sommer eine eng geschnittene Gore-Tex-Rennjacke, im Herbst bis Frühjahr einen Gore-Windstopper-Blouson mit leichtem Fleecefutter und auszippbaren Ärmeln. Bei der Hose ebenso: im Sommer dünnes Gore-Tex, ansonsten Windstopper mit leichter Fütterung. (Generell halte ich Gore-Windstopper für das aus Radlersicht weitaus interessantere Produkt als Gore-Tex.)

Bei der Sonnenbrille sollte man auf weit herumgezogene Gläser achten, die dennoch vernünftig belüftet sind. Im Idealfall sind sie gegen klare oder gelbe Gläser austauschbar.

Mittlerweile sieht man in den Bergen kaum mehr Radler ohne Helm; in Opposition zu diesem Trend trage ich seit einigen Jahren keinen mehr (warum?). In der wärmeren Jahreshälfte ist ein Piratentuch (Buff) meine Lieblings-Kopfbedeckung, ansonsten eine Fleece-Schirmmütze mit Windstopper-Futter. Ebenso sind auch meine Winter-Fingerhandschuhe ausgestattet; von Frühjahr bis Herbst trage ich Radhandschuhe, die bis über das jeweils erste Fingergelenk reichen, um bei unbeabsichtigtem Boden- oder Felswandkontakt vor Abschürfungen zu schützen.

Im Sommer steckt sicherheitshalber ein leichter Pulli (Coolmax) im Gepäck, bei tieferen Temperaturen der Klassiker meines Kleiderschranks schlechthin: ein Fleecepulli „Patagonia Snap T-Neck“, den ich schon Ende der Achtziger gekauft habe und der seinen Zweck noch immer tadellos erfüllt.

An leidlich ziviler Bekleidung kommen dazu noch eine extrem leichte Trekkinghose, ein Baumwoll-T-Shirt und eine oder zwei Boxershorts, letztere auch als Nachtwäsche.

Pflege
Der Kulturbeutel enthält Flüssigseife (für Mensch und Bekleidung), eine in sich gedrehte, elastische Wäscheleine (hält zumindest leichtere Kleidung auch ohne Klammern), Zahncreme und –bürste, eine oder zwei Sicherheitsnadeln, Papiertaschentücher und eine kleine Plastiktüte. Separat habe ich sicherheitshalber ein kleines Handtuch dabei, neuerdings winzig und leicht aus Mikrofaser.

Mein Erste-Hilfe-Set umfasst Pflaster, eine Mullbinde, Jodtinktur, Zeckenzange, eine silber-/goldfarbene Rettungsdecke, jeweils einige Paracetamol und Kohletabletten sowie ein paar Täfelchen Traubenzucker.

Sonstiges
Mancher mag glauben, ohne Fahrradschloss auszukommen, weil auf der Alm nur grundehrliches Volk unterwegs ist. Mir wär’s zu riskant, zumal man ja auch mal in größeren Orten vom Rad steigt. Andererseits ist das fette Bügelschloss, das in der Großstadt zum Einsatz kommt, viel zu schwer. Mein Kompromiss ist ein mitteldickes, noch leidlich flexibles Panzerkabel von Abus. Außerdem sind Laufräder und Sattelstütze mit Pitlocks gesichert (aus dem Alter, in dem der Fahrstil eine möglichst schnelle Verstellung der Sattelhöhe erfordert, bin ich seit Jahren raus).

Und dann noch der übliche Kleinkram: Notizbuch, Bleistift und Kugelschreiber, gesondert wasserdicht verpackt; kleiner Reisewecker; Handy plus Ladegerät; Ausweispapiere (einschließlich Jugendherberge), etwas Bargeld, EC-Karte; Bahnfahrkarte; ein Jutebeutel für Einkäufe und zum Transport der Kleinteile vom Fahrrad zur Unterkunft; Mini-Taschenlampe; Fahrradcomputer nebst Ersatzbatterie (seit ca. 2001 ein Ciclomaster mit Höhenmesser, aber anders als in der Serie ohne batterieaufwendige Funkübertragung); bei MTB-Touren sicherheitshalber ein leichter Mumienschlafsack, um auf abgelegenen Hütten nicht auf Bettzeug angewiesen zu sein; Objektiv-Putzzeug, Ersatzbatterie für Belichtungsmesser und Filmvorrat, soweit dies nicht in die Lenkertasche passt.

Besonders wichtig: Lektüre für abends, etwaige Bahnfahrten und die ausgedehntere Mittagspause. Ich lege Wert auf Anregendes, damit während stundenlanger Anstiege auch der Kopf was zu tun hat, aber es darf nicht so schwer verdaulich sein, dass ich noch ein paar Pfund Sekundärliteratur mitnehmen muss.

Einige Empfehlungen für leicht zu lesende, dennoch anspruchsvolle Reisebegleiter, die teilweise sogar das Motiv des Unterwegs-Seins aufgreifen:

Luciano di Crescenzo, „Geschichte der griechischen Philosophie“

Edward O. Wilson, „Die Zukunft des Lebens“ und „Die Einheit des Wissens“

Robert M. Pirsig, „Zen and the Art of Motorcycle Maintenance“

Jonathan Franzen, „How to be Alone“

Anne Michaels, „Fugitive Pieces“

 

***

Abschließend noch einige Tipps, falls Sie zum ersten Mal mit dem beladenen Rad auf Bergtour gehen wollen:

Lassen Sie sich Zeit fürs Packen! Schreiben Sie auf, was Sie mitnehmen wollen, im Idealfall sortiert nach <zwingend> und <optional>. Fangen Sie schon zwei, drei Tage vor der Abreise damit an, die Sachen z.B. in einem Wäschekorb zurechtzulegen.

Wenn es dann ans Einpacken geht, achten Sie auf ausgewogene Gewichtsverteilung. Bei etwaigen Vorderradtaschen sowieso, sonst lenkt es sich schlecht; aber auch hinten trägt gleichmäßige Last zum besseren Handling des Drahtesels bei.

Nachträgliches Aussortieren gehört anfangs immer noch dazu. Aber übertreiben Sie’s nicht: Ihr reisefertig beladener Tourer mag Ihnen furchtbar schwer vorkommen, aber Sie wollen ihn ja nicht durch die Berge tragen. Wenn Sie konditionell halbwegs beieinander sind und eine passende Übersetzung montiert haben, wird es spätestens nach dem dritten Reisetag auch auf den steilsten Rampen auf ein Kilo mehr nicht mehr ankommen; und abends werden Ihre Mitmenschen es Ihnen danken, wenn Sie in leidlich frischer, ziviler Montur im Restaurant sitzen statt in der schweißmüffeligen Papageienkutte.

Frohes Packen!

 

Kurzfassung:
Packliste für eine sommerliche Rennradtour

Fahrradwerkzeug nach Bedarf
Geld, Ausweise, Fahrkarten etc.
leichtes Fahrradschloss
Landkarte(n), Schreibheft, Stifte, Textmarker
Kamera und Zubehör
Müsliriegel u.ä.
Wasserflaschen
Lektüre
Jutebeutel
Wecker, Uhr, Handy, Taschenlampe
Fahrradcomputer
benötigte Batterien/Ladegeräte

2x Radhose kurz
2x Trikot kurz
2x leichtes Träger-Unterhemd
Regen-/Windjacke und -hose
Käppi/Piratentuch
2x dünne, 1x dicke Socken
Radhandschuhe
Fahrradschuhe, Teva-Sandalen
je 1x T-Shirt und Boxershorts
leichte lange Hose
leichter Pullover
Sonnenbrille

leichtes Handtuch
Flüssigseife
Zahncreme und -bürste
Wäscheleine, -klammern
Plastiktüten, Papiertaschentücher
Erste-Hilfe-Set

 

 

[1] Dieser Effekt ist so ausgeprägt, dass ich für die ersten zwei Wochen nach einer Radreise mein MTB als fürchterlich nervös empfinde.

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[2] Im Gebirge ist das allerdings weniger empfehlenswert, weil mit zunehmendem Gepäckgewicht der Aktionsradius drastisch sinkt, während Campingplätze in höheren Lagen selten zu finden sind.

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