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Daß will ich nicht mehr sehen

August 2004: Es rauscht im Blätterwald, als solle Sommerloch per sofort mit mindestens drei m geschrieben werden. Dabei soll doch bloß alles beim Alten, pardon: alten bleiben, nachdem diverse Verlage ihren Willen bekundet haben, zur Rechtschreibung des vorigen Jahrhunderts zurückzukehren.

Nun fände ich es zwar durchaus begrüßenswert, wenn demnächst wieder die alte Verbindlichkeit in der Zeichensetzung herrschte statt der neuen Beliebigkeit und wenn wieder die authentischen Wortursprünge für wichtiger erachtet würden als gewisse pseudoetymologische Tol(l)patschigkeiten. Doch ebenso bizarr wäre es andererseits, würde eines der rundum gelungenen Kernstücke der Reform einer pauschalen Rückkorrektur geopfert:

Nach klassischen Regeln aß man aus dem Faß, wenn auch bereits in Maßen oder in Massen, und wem das nicht paßte, der konnte es lassen — und tschüß, Gruß und Kuß. Heute hingegen muss niemand mehr die Absonderlichkeiten der ß-/ss-Schreibung auswendig lernen, denn die Reform regelt das Problem einfach, eindeutig und ausnahmslos logisch. Etwaige Fehler in diesem Bereich sind meines Erachtens ebenso auf die Macht der Gewohnheit zurückzuführen wie die verbreitete Empfindung, dass das daß dem dass vorzuziehen sei ...

Überdies steht der aktuelle Medienrummel in keinem gesunden Verhältnis zu der Aufmerksamkeit, die Zeitungs- und Buchverlage der Rechtschreibung, sei sie nun klassisch oder reformiert, im Alltagsgeschäft widmen. Denn auch renommierte Häuser glauben es sich heute leisten zu können, sich kein Korrektorat mehr leisten zu müssen, selbst die von mir so geschätzte zeitgenössische philosophische Literatur mutet mir neuerdings orthografische und stilistische Fehler in Quantitäten zu, die bei keinem mittelmäßigen Studentenaufsatz akzeptiert würden. Wer aber seine Leser dergestalt für nicht ganz voll nimmt, für den ist das gegenwärtig so große Thema Rechtschreibung irgendwann das geringste Problem.