Startseite
 

Luxus und Nachhaltigkeit

Tragen auch Sie Ihr Erbgut am Handgelenk? „You never actually own a Patek Philippe. You merely look after it for the next generation“, heißt es in der Werbekampagne eines Herstellers edler Uhren. Ein ebenso schöner wie einleuchtender Gedanke: Im besten Sinne nachhaltig ist ein Konsumgut, das so langlebig ist, dass sein Käufer es noch an seine Nachkommen weiterreichen kann. Aber macht beispielsweise vor dem Hintergrund massenhaft verschrotteter Kleinwagen die Tatsache, dass rund 70 Prozent aller jemals produzierten Porsche noch existieren, die Zuffenhausener Sportflitzer zu ökologischen Vorzeigeobjekten? Oder lässt sich aus dem Umstand, dass die Koffer-Manufaktur Hermès garantiert, noch die ältesten Produkte des Hauses aufarbeiten zu können, ein entsprechender Qualitäts- und Haltbarkeitsvorsprung gegenüber preisgünstigeren Wettbewerbern ableiten? Allgemeiner gefragt: Wie kommt es, dass jahrzehntelange Nutzungsdauer oft nur Luxusgütern zugeschrieben und mit diesen assoziiert wird?

Langlebigkeit ist meines Erachtens keinesfalls eine prinzipielle oder gar exklusive Eigenschaft von Produkten des oberen Preissegments, sondern primär eine Funktion der Intensität ihrer Nutzung. Sehr deutlich wird das am Beispiel der bereits erwähnten Sportwagen: Wie viele Käfer und Kadett wären wohl heute noch in Gebrauch, wenn sie Zeit ihres Daseins so spärlich bewegt und so zärtlich gepflegt worden wären wie der durchschnittliche Porsche? Der Sportwagen ist nicht von vornherein besonders haltbar und ökologisch entsprechend wertvoll; vielmehr werden seine grundsätzlichen ökologischen Nachteile durch die Neigung seines Benutzers, ihn weniger als Gebrauchsgegenstand denn als Fetisch zu betrachten, zumindest teilweise kompensiert.

Was aber bringt, um bei diesem Beispiel zu bleiben, den Porsche-Fahrer dazu, sein nutzwertfreies Spielmobil wie seinen Augapfel zu hüten, während Käfer und Kadett typischerweise im Alltagsgebrauch verheizt werden? Die einzig sinnvolle Antwort lautet: der Unterschied im Anschaffungspreis. Der Mensch neigt dazu, den Wert seines Besitzes nach seinem Kaufpreis zu bemessen – der wiederum oft von „Status“ und ähnlich diffusen Kriterien beeinflusst ist und nur in den seltensten Fällen Rückschlüsse auf Herstellungs- und Materialgüte zulässt – und behandelt seine Güter entsprechend.

Kurz gesagt: Nicht die Qualität, sondern der Preis eines Produkts bestimmt die Haltbarkeit.

Ein banaler Systemfehler seitens Homo sapiens also: Nur was teuer war, ist es wert, gepflegt zu werden. Und wenn Nobel-Markenartikler ihre Produkte als besonders nachhaltig bewerben, definieren sie lediglich den bug zum feature um.

Das eigentliche Geheimnis von Nachhaltigkeit besteht darin, nicht billig, sondern preiswert zu kaufen – was meist schon im jeweils mittleren Preissegment möglich ist, nicht erst in der Oberklasse – und dem Gekauften unabhängig von seinem materiellen Wert Aufmerksamkeit und Pflege angedeihen zu lassen, als wär’s ein Luxusartikel. Die Formel „Luxuskonsum gleich Nachhaltigkeit“ mag trendy sein — ganz im Sinne eines klebrigen Öko-Optimismus, der in reflexhafter Überreaktion auf die Achtziger-Jahre-Inflation an Weltuntergangsszenarien dem fröhlichen Weiterwurschteln Generalabsolution erteilt —, sie ist für meine Begriffe jedoch lediglich eine unter Correctness-Aspekten nachjustierte Apologie der Verschwendung.