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oder Von einem, der auszog, eine Digitalkamera zu kaufen

Ein digitaler Fotoapparat wär’ schön. Bilder, die ohnehin nur für die Website oder als E-Mail-Anhängsel gedacht sind, müssten dann nicht mehr den zeit- und arbeitsintensiven Umweg über Minilab und Filmscanner nehmen, und im improvisierten Studio könnte ich mit ein paar Probeschüssen den Lichtaufbau der Kompaktblitzanlage prüfen. Soweit die Theorie …

Die erste Ernüchterung gibt es im Fachhandel bei der Erwähnung des Wortes „drahtlose Blitzsteuerung“. Nein, diese Möglichkeit ist ein Profi-Feature und nur bei wenigen Modellen implementiert. Wieso, ich erwarte doch keinerlei TTL und anderen Dilettantenkram, und ein simpler Rotaugengenerator ist doch nun wirklich in jede 100-Euro-Kamera eingebaut. Ja, aber mit Mess-Vorblitz, der die Anlage schon vor der Belichtung zündet; und der lässt sich in der Regel nicht abschalten. Nicht mal im manuellen Modus? Nö: Bloß weil die Kamera Ihnen großzügig das Recht einräumt, in den Einstellungen für Verschlusszeit und Blende herumzugrabbeln, heißt das ja nicht, dass sie Ihnen auch zutraut, die Blitzintensität passend zu regeln.

Ach so: Die durchschnittliche Digiknipse versteht also mehr vom Fotografieren als ihr durchschnittlicher Käufer. Immerhin wird damit der Kreis für mich interessanter Kameras sehr viel übersichtlicher. Etwa fünf Prozent des Gesamtmarkts — die teuersten fünf Prozent, versteht sich. Es sind sogar noch einige Kompakte mit optischem Sucher dabei, bei denen sich über Mittenkontakt oder Buchse ein externer Blitz zuschalten und/oder die Leistung des eingebauten Scheinwerfers ohne Vorblitz manuell regeln lässt. Die schaue ich mir zuerst an, denn meine Idealvorstellung wäre was Kleines, auch als visuelles Notizbuch für unterwegs Geeignetes.

Da folgt denn gleich die zweite kalte Dusche. Von meiner fast schon historischen Rollei 35 bin ich es gewohnt, dass auf kleinstem Raum sämtliche Bedienungselemente logisch angeordnet und penibel voneinander getrennt sind und sich zur Not auch mit Handschuhen bedienen lassen. Nicht so bei den typischerweise immerhin doppelt so großen Digital-Kolleginnen: Wer es hier wagt, den [P]appnasen-Modus auszuschalten und Blende oder Schärfe manuell zu regeln, muss sich erst mal unter Zuhilfenahme drei- bis fünffach belegter Gameboy-Tastaturen auf dem Zwergenbildschirm durch verschachtelte Menüstrukturen hangeln. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass der Advanced User seine Preferences bei Tastaturbelegung und Parametersteuerung oft auch als Custom Settings abspeichern kann: Ich will eine Kamera ohne monatelange Einarbeitung und Umprogrammierung intuitiv bedienen können. Stattdessen fordern diese Geräte mir beim Herumstochern auf kaum wahrnehmbaren Tästchen permanente Konzentration ab, damit ich nicht versehentlich einen lustigen Tonfilm drehe oder sonstige zweckfreie Zusatzfeatures zum Leben erwecke, wenn ich bloß den Belichtungsmessmodus ändern will.

In der Annahme, dass die Bedienungsfreundlichkeit mit der Größe der Digitalkamera zunimmt, schaue ich mir nun einige der Quasi-Spiegelreflex-Modelle an und werde vollends desillusioniert. Die Jackentaschen-Inkompatibilität bringt hier erstens meist ein Zuvielfach-Zoomobjektiv mit, dessen Entsprechung im Analog-Bereich ich nicht mal mit hinten anschauen würde; aber gut, von der Vorstellung, mit einer Digiknipse auch mal qualitativ hochwertige Bilder machen zu können, habe ich mich inzwischen sowieso verabschiedet. Zweitens sind die Knöppgens zwar oft größer, aber die Bedienlogik genauso krude wie bei den Kompakten — wenn das SLR-ähnlich ist, bin ich heilfroh, nur Jahrzehnte alte SLRs zu benutzen. Drittens wird man in diesem Sektor mit so genannten EVFs traktiert, was vermutlich für „Elektronisch Verzögernde Funzelsucher“ steht und die unsägliche Trägheit des rückwärtigen Mäusekinos noch auf das Sucherbild ausdehnt. EVFs stellen außerdem sicher, dass bereits beim Anvisieren des Motivs ordentlich Energie verbraucht wird, als ob diese Geräte nicht ohnehin schon Stromfresser der übleren Sorte wären.

Aber zur Minderung dieses Problems gibt’s ja Standby. Eine sinnreiche Schaltung, die die Kamera nach einer beliebig zwischen „extrem kurz“ und „enorm kurz“ vorwählbaren Zeitspanne in Halbschlaf versetzt. Bei einer vorgeblich semiprofessionellen Digi, die ich bis dahin in der engeren Wahl hatte, tut sie das so konsequent, dass nach dem erneuten Aktivieren der Elektronik erst mal wieder der Vollidioten-Modus gewählt ist und man sich mittels verkrampftem Tippen, Drehen und Drücken zurück zum richtigen Fotografieren durchfragen muss. Was man an Zeit spart dadurch, nicht mehr scannen zu müssen, verschwendet man also doppelt und dreifach an die simple Inbetriebnahme der Digitalkamera.

Halten wir fest: Im Jahr 22 nach der Vorstellung der ersten Sony Mavica gibt es keine Digitalkamera mit fest eingebautem Objektiv, die den Mindestansprüchen an ein ernsthaftes Werkzeug gerecht wird.

Bliebe nur noch die Variante einer echten Spiegelreflex, die zu meinen vorhandenen Wechselobjektiven passt. Theoretisch wieder kein Problem, schließlich hat ja die Firma Nikon seit anno dunnemals ihr Bajonett nicht geändert, um maximale Abwärtskompatibilität zu gewährleisten. Außerdem würden mit meinen antiken Objektiven all die neuzeitlich-unsinnigen Belichtungsmessmodi erst gar nicht funktionieren („Abwärtskompatibilität“, hihi), wodurch man sich ohne jede Ablenkung ganz prima aufs Wesentliche, die Bildgestaltung, konzentrieren könnte. Schade nur, dass man bei Nikon lieber immer kürzerbrennweitige Optiken baut, statt die Produktion vollformatiger CCDs zu reellen Preisen voranzutreiben. In der Praxis heißt das: An allen bis dato existenten D-SLRs von Nikon wird nur ein Teil des verfügbaren Bildwinkels genutzt, was mein schickes 18er effektiv zum langweiligen 28er degradiert und das Bild des 35er Shifts in architekturfotografisch indiskutable Regionen ausschnittsvergrößert.

Ein umfangreicher Katalog von Ärgernissen also, den man mit einem Betrag im unteren bis mittleren vierstelligen Euro-Bereich zudem arg teuer bezahlen muss. Ich habe deshalb jetzt erst mal zusätzliche Dia- und Filmstreifenhalter für den Filmscanner bestellt, um die Verarbeitung meiner analogen Fotos etwas effektiver zu gestalten. Deren Qualität dürfte dank hochwertiger Festbrennweiten ohnehin viel besser sein als das, was hinten an der Digi ankommt, und der Filmscanner macht daraus bei Bedarf auch mal aufmacherfreundliche zehn Megapixel und nicht bloß fünf. Und bis sich eine echte SLR mit Vollformat-Chip in sympathischen Preisregionen findet, bekommen Minilab und Fachlabor von mir noch reichlich zu tun.

Nachtrag im April 2003: Nachdem ich es also aufgegeben habe, etwas Digitales zu kaufen, das meinen Vorstellungen von einer ernst zu nehmenden Kamera auch nur halb gerecht wird, suche ich jetzt nach einem reinen optischen Notizbuch — einer möglichst kleinen und leichten Knipse ohne pseudomanuelle Funktionen, die einfach immer dabei sein kann.

Und hier werde ich prompt fündig: bei der zu diesem Zeitpunkt nagelneuen Pentax Optio S [extern]. Die passt in jede Hemdtasche, ohne dass man sie bemerkt, und macht zu meinem Erstaunen, sobald man sich in die Spot-Belichtungsmessung nebst Korrekturfunktion eingearbeitet hat, durchaus anständige Bilder. Sogar im Zusammenspiel mit der Blitzanlage … einfach Dämmerungsprogramm (für längere Belichtungszeiten) mit dem Selbstauslöser kombinieren und beim Auslösen (Verschlussgeräusch lässt sich bei diesen Spielzeugen ja einstellen) die Blitzanlage manuell zünden. Funktioniert tadellos; man fragt sich, wozu ich mir all diese Sucherei angetan habe :-)

Nachtrag II, Oktober 03: Meine Bewertung der Optio nach einem halben Jahr intensiver Nutzung (mit ein paar Beispielfotos).