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Jura 2005, Tag 1/2

Zur Einleitung

1. Etappe: Basel–St. Ursanne,
68 km, 1700 Höhenmeter

Auch wenn im Zentrum Basels vom Jura vorerst noch nichts zu sehen ist, so kann man ihn doch nicht verfehlen: Deutlicher und logischer als in der Schweiz ist eine Radrouten-Signalisierung kaum vorstellbar. Wer der „7“ folgt, wird ohne nennenswerte Umwege, dennoch sehr verkehrsarm nach Süden aus der Stadt herausgeführt. In Ettingen, wo die Hauptroute in Richtung Leymen- und Lützeltal abbiegt, fahre ich gleich geradeaus den ersten Berg hinauf: Über den Blattenpass und weiter am Südhang des Blauen entlang führen einige meist leicht zu fahrende Forstwirtschaftswege, die erste Fernblicke ins Land eröffnen, hinab zum Challpass, wo ich zunächst wieder auf die Jura-Route treffe, die von hier recht beschaulich über den Bergrücken Challhöchi geführt wird.

In Kleinlützel fahre ich aber schon wieder eigene Wege, nämlich über eine kleine Anhöhe nach Liesberg, wo die erste nennenswerte Herausforderung der Tour wartet: auf mit 15% ansteigenden, unbefestigten Wegen nach Movelier und von dort zwar wieder asphaltiert, dafür jedoch noch etwas steiler nach Pleigne. Hier sind die Schwierigkeiten des Tages bewältigt, der Rest ist entspanntes Rollen über eine dünn besiedelte Hochebene, die einen ersten Vorgeschmack darauf bietet, was mich landschaftlich in den folgenden Tagen erwarten wird. Bei Les Malettes entscheide ich mich trotz eines heraufziehenden Gewitters gegen die Hauptstraße und für die Schotterpiste via Col sur la Croix nach St. Ursanne, und das Wetterglück ist auf meiner Seite: Der Wolkenbruch beginnt just in dem Moment, da ich meinen Drahtesel in die Hotelgarage schiebe.

2. Etappe: St. Ursanne–Chasseral,
69 km, 2150 Höhenmeter

Das alte Klosterstädtchen St. Ursanne ist reizvoll am Doubs gelegen, und von diesem Fluss möchte ich heute etwas mehr sehen. Daher widerstehe ich zunächst der Verlockung des strammen Anstiegs nach Montmelon und halte mich stattdessen bis Soubey an den nur anfangs asphaltierten Uferweg. Eine gute Entscheidung: Tief verborgen zwischen dicht bewaldeten Hängen, entfaltet der Doubs in diesem Bereich einen fast verwunschenen Charme.

Allerdings begreife ich bald, warum die Veloroute nicht hier entlanggeführt wird: Das Ufersträßchen ist zum Fluss hin völlig ungesichert und nach den ergiebigen Regenfällen der Nacht ziemlich schmierig, was ich erst merke, als mich beim Antritt an einem kurzen Anstieg (an dieser Stelle geht es etwa 20 Meter senkrecht hinab) unverhofft mein Hinterrad überholt, was zu mehr als nur einer Schrecksekunde führt. Ein weiteres Argument gegen die „Veloland“-Tauglichkeit der Uferstraße ist der Umstand, dass sie zwischendurch einmal hundert grob geschotterte Höhenmeter steil hinauf und gleich wieder hinab führt – eine solche vordergründig überflüssige Anstrengung ist trotz hübscher Ausblicke sicher nicht jedermanns Sache.

Uferweg am Doubs vor Soubey

Nicht immer so harmlos wie hier: der Uferweg entlang des Doubs

Doch wer darauf verzichtet, dem entgeht auch der traumhafte Anstieg von Soubey nach Les Enfers: Ein schmales Serpentinensträßchen fast schon alpinen Charakters überwindet die fünfhundert Höhenmeter zur Hochebene der Freiberge. Hier oben bin ich trotz mittlerweile prächtigen Urlaubswetters wieder mit vielen Kühen und einigen Pferden allein und staune einmal mehr, wie wenig gebirgig die Landschaft wirkt: Nur vereinzelte Silberdisteln am Wegesrand deuten darauf hin, dass ich mich inzwischen auf über 1000 Metern tummle. Ohne große Schwierigkeiten geht es weiter über Tramelan und den Mont Crosin nach Courtelary. Von dort sind es bis zum Chasseral, meinem nächsten Übernachtungsziel, netto nur noch neunhundert Höhenmeter, deshalb lasse ich mir anfangs viel Zeit zum Fotografieren auf dem hübschen Sträßchen, das auf halber Höhe in eine zunächst noch harmlose Schotterpiste übergeht. Doch irgendwann sind plötzlich Realität und Landkartenbild inkompatibel – ich kann nachträglich nicht mehr rekonstruieren, wie ich auf leidlich befestigtem Weg einen Kilometer weit von der Strecke abkommen konnte. Mit Genehmigung des Grundbesitzers folge ich also mehr als eine halbe Stunde lang einer kaum erkennbaren Traktorspur über feuchte, steile Almwiesen, bis ich wieder zurück auf meiner Route bin.

Von Ferne sieht man dem Chasseral nicht an, wie steil die letzten paar Meter bis zum Gipfel sind; entsprechend geschlaucht bin ich, als das Hotel endlich erreicht ist.  Doch das Panorama rechtfertigt jeden Schweißtropfen: Tief unter mir reihen sich Neuenburger, Bieler und Murtensee aneinander, weit dahinter grüßen die ersten Alpengipfel, und mit Anbruch der Dunkelheit sorgt ein Gewitter im Tal zusätzlich für spektakuläre Lichteffekte.

Zu Tag 3/4