Zum 1. Teil
Thun Justistal Beatenberg Habkern
Interlaken Grindelwald; 59 km, 1550 Hm
Heftiger Regen schon zum Frühstück; nach einer Viertelstunde
auf dem Rad bin ich pitschnass. In Aeschlen steht die heutige Entscheidung
zwischen Gelände und Straße an, und da es rundum ziemlich
dunkel aussieht, entscheide ich mich schließlich für
die bereits bekannte
Asphalt-Variante durch das Justistal. Immerhin reißt an der
entscheidenden Stelle, kurz vor dem Tunnel, die tiefhängende
Wolkendecke etwas auf und gibt den Blick frei auf das satte Türkis
des Thunersees weit unter mir.
In Beatenberg gibt es ein zweites Frühstück nebst Expertengespräch
mit der radreiseerfahrenen Kellnerin. Auf ihren Rat hin fahre ich
nicht gleich nach Interlaken ab wie auf der 1998er Tour, sondern
nehme noch den Schlenker nach Habkern in Angriff. Das bringt einige
mäßige Steigungen extra bis auf 1400m Höhe, vor
allem aber wunderschöne Blicke ins Land.
Da ich für den Rest der Etappe durchaus noch mal mit Regen
rechne, lasse ich den Drahtesel nach Interlaken hinab einfach nur
rollen, halte mich im Tal erst gar nicht auf und bleibe, obwohl
bereits in Interlaken eine Radroute Richtung Grindelwald beginnt,
tempohalber die ersten paar Kilometer auf der Straße. Da diese
aber stark befahren ist, nehme ich ab Gsteigwiler doch lieber die
Velo-Nebenstrecke. Das ist zwar, wie ich schon von früher weiß,
nichts für notorische Kilometerfresser, weil die Route im Gegensatz
zur Fahrstraße mal wieder jeden einzelnen Hügel mitnimmt
und dabei stellenweise ausgesprochen steil wird, aber man hat wenigstens
seine Ruhe.
Eine halbe Stunde vor Grindelwald erwischt mich tatsächlich
noch mal das schlechte Wetter. Ein Grund mehr, mir heute mal so
etwas wie Wellness zu gönnen. Deshalb fahre ich kurz entschlossen
beim ersten Haus am Platze vor, der Viersterneherberge Sunstar.
Das zuvorkommende Personal kann sich zwar zunächst nicht recht
entscheiden, wo man hier ein nichtmotorisiertes Fahrzeug parken
kann, aber ansonsten fühle ich mich trotz (oder gerade wegen)
denkbar großer Kontraste zur vorvorigen Nacht durchaus wohl
hier. Vor allem im Swimmingpool, wo ich den Rest des Nachmittags
verbringe, bevor zwecks Feinplanung der morgigen Etappe ein Besuch
der Tourist Information ansteht.
Grindelwald Firstalm Große Scheidegg
Innertkirchen Engstlenalp; 54 km, 2450 Hm
Bedeckt, aber trocken zum Frühstück. Da ich die
Fahrstraße zur Großen Scheidegg bereits kenne, entscheide
ich mich zunächst für eine der schwarzen, also angeblich
schweren regionalen MTB-Routen meist parallel zur Seilbahn
hinauf zur Firstalm. Eine gute Wahl:
Bis zum Berghaus Bort ist die Strecke zwar arg steil (auf den ersten
4,8 km zeichnet mein Compi durchschnittlich 12% und maximal 32%
Steigung auf), aber asphaltiert, und bei feinem Nieselregen rollt
es gut. Die ersten unbefestigten Serpentinen sind dann tatsächlich
knackig; vermutlich müsste ich hier auch ohne Reisegepäck
stellenweise schieben. Aber die phänomenale Aussicht hinüber
zur Scheidegg ist die paar Schweißtropfen allemal wert. Beeindruckend
heute auch der ständige Wechsel des Lichts durch die schnell
ziehenden Wolken.
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Spätestens ab Schreckfeld ist die Schotterpiste wieder gut
fahrbar, die letzten 200 Höhenmeter zur Firstalm spielend leicht.
Diese Teilstrecke ist zwar eine Sackgasse, denn hinter der Alm herrscht
striktes Veloverbot, aber erst ganz oben erschließt sich der
Blick nach Westen. Die Firstalm selbst ist kein sonderlich gastlicher
Ort (Fahrrad abstellen in Sichtweite der Panoramaterrasse verboten),
deshalb schnell weiter auf dem Höhenweg zur Scheidegg. Dort
wärme ich mich erst mal ein wenig auf, bevor es auf die holprige
Abfahrt nach Innertkirchen geht, dunkle Wolken im Nacken. Im Tal
holen sie mich ein
Freundlicherweise hat die heute geschlossene Tourist Information
in Innertkirchen in einem großzügig überdachten
Bereich ein Sortiment mit Unterkunftsbroschüren für die
Region ausgelegt kein Problem also, telefonisch ein Zimmer
im Hotel Engstlenalp vorzubuchen. Eine halbe Stunde gebe ich dem
Wetterbeauftragten dann noch, die ich im Café gegenüber
aussitze. Aber da keinerlei Aufklaren absehbar ist, rolle ich dann
doch los. Geht ja heute nur noch bergauf, frieren werde ich also
nicht.
Im unteren Teil des Susten und noch bis 1200 Meter hält der
Regen an, aber just bevor ich den Wald verlasse, wird es doch noch
mal trocken. So kann ich das Gental, dieses Vorzeigeexemplar romantischer
Schweizerlandschaft, rundum genießen, nur die glitschigen
Weideroste auf der ansonsten unproblematischen Straße erfordern
Konzentration.
Am Talschluss wird es wieder nasskalt, so zieht sich der verbleibende
Anstieg unangenehm in die Länge. Umso erfreulicher, dass sich
das familiäre Hotel Engstlenalp
als überaus gemütliches Refugium erweist und obendrein
eine hervorragende Küche hat. Vor dem opulenten Abendessen
erlaubt das wieder aufklarende Wetter sogar noch einen Spaziergang
zum Enstlensee, dessen felsige Umgebung ein Dorado für Kletterer
sein dürfte.
Engstlenalp Bidmialm Hasliberg
Brünigpass Lungerersee Glaubenbielenstraße
Entlebuch; 87 km, 1650 Hm
Wieder mal macht mir das Wetter einen Strich durch die Tourenplanung:
Eigentlich hatte ich meinen Packesel heute über den Jochpass
schieben wollen, um über Engelberg weiterzufahren. Aber dagegen
sprechen die Niederschläge aus der vergangenen Nacht: Bis runter
auf 2000 Meter sind die Höhen weiß gepudert, und unterhalb
dessen regnet es auch nach dem Frühstück noch in Strömen.
Auf eine Schlammschlacht kann ich gut verzichten, deshalb rolle
ich erst einmal ins Gental zurück. Ganz runter will ich aber
nicht, biege lieber zur Bidmialm ab und fahre auf einer schmalen,
sanftwelligen Asphaltstraße nach Hasliberg. Längerem
Aufenthalt in einem dortigen Café steht die Beschallung mit
einer Endlosschleife aus hirnzersetzender Hansi-Hinterseer-Lala
im Wege, also bei glücklicherweise nachlassendem Regen schnell
weiter zum Brünigpass und auf die Hauptstraße nach Luzern.
Ab dem Lungerersee, dessen geschotterten Uferweg ich der stark
befahrenen Straße vorziehe, klart es auf, und rechtzeitig
zum Einstieg zur Glaubenbielen-Panoramastraße lässt sich
sogar die Sonne wieder blicken, so dass ich auf dieser topographisch
eigentlich wenig herausfordernden Strecke gehörig ins Schwitzen
komme. Dazu trägt allerdings auch bei, dass ich hin und wieder
von der Straße auf den abkürzenden, entsprechend steileren
Wanderweg abbiege, weil immer nur Asphalt auf Dauer öde ist.
Nachdem heute erst Winter und dann Sommer war, hält auf der
Passhöhe kurzeitig der Herbst Einzug, für die üppige
Abfahrt längs des Brienzer Rothorns muss ich mich dick einmummeln.
Hinter Sörenberg wird die Landschaft leider recht langweilig,
insofern setze ich zunächst keine übersteigerten Erwartungen
in die letzte Unterkunft dieser Tour. Umso angenehmer ist die Überraschung,
als ich beim Hotel Drei
Könige in Entlebuch fündig werde. Das Zimmerchen
ist unspektakulär und preisgünstig, doch die Küche
des Hauses erweist sich als überaus inspiriert. Ein so feines
Abendessen wie diese Ravioli von getrockneten Tomaten in Pesto-Rahmsauce,
gefolgt von einem kleinen, aber feinen Bergkäseteller, habe
ich unterwegs noch selten genossen, überhaupt umfasst die Speisekarte
etliche interessante Pasta- und Gemüsegerichte; dabei liegen
die Preise kaum höher als in einer beliebigen Röstibrutze.
Entlebuch Glaubenbergpass Schlierental
Chrüzliegg Alpnach Luzern; 61 km, 1300 Hm
Nach einem ausgedehnten Frühstück wärme
ich die Muskulatur bei noch gutem Wetter am überaus beschaulichen,
sehr leicht zu fahrenden Glaubenbergpass auf, um mich dann kurz
hinter der Passhöhe dem abschließenden landschaftlichen
Highlight zuzuwenden. Anfangs noch asphaltiert, später zunehmend
grob geschottert folgt die Straße dem Verlauf des Schlierengrats
durch ein reizvolles Hochmoor; einer viertelstündigen Schiebepassage
auf einem schmalen Waldpfad schließt sich eine steile Schotterpiste
bergauf nach Chrüzliegg an. Hier beträgt die Sicht zeitweise
nur noch zwanzig Meter; vom Pilatus, an dessen Flanke ich unterwegs
bin, ist überhaupt nichts zu sehen.
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