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Fotografie mit Köpfchen und drei Beinen

Früher oder später erwischt es jeden. Zu Beginn des Fotografenlebens denkt man: Wozu sich im Zeitalter elektronischer Verwacklungsunterdrückungssysteme noch mit einem Dreibeinstativ abschleppen wie weiland die Daguerrotypisten? Und irgendwann hat man dann nicht nur eins von den sperrigen Dingern, sondern zwei oder drei, und man mag gar nicht mehr ohne zumindest eins davon zum Fotografieren aufbrechen.

Warum?

Weil ein Stativ, so paradox es zunächst klingen mag, nicht nur die technische Qualität einer Aufnahme erhöhen kann, sondern auch die Bildgestaltung erheblich erleichtert. Haben Sie sich zum Beispiel schon mal gleichzeitig auf einen präzise horizontalen Horizont und die wunschgemäße Anordnung des Motivs im Sucher konzentriert, während Sie sich fragten, ob die Sechzigstelsekunde für das 135-mm-Objektiv vielleicht doch zu lang ist? Wenn die Kamera auf einem Stativ steht, könnten Sie erst die Neigung der Kamera fixieren, damit die Ostsee auf Ihrem Foto nicht ausläuft, um sich anschließend in Ruhe darauf zu konzentrieren, den Leuchtturm im Goldenen Schnitt zu platzieren (oder wo immer er Ihrem Bildkonzept förderlich ist). Und dann kann’s bei Bedarf auch die Dreißigstel sein. So gesehen wird die Fotografie vom Stativ nicht langsamer, sondern entspannter. Und nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ein Dreibein die Arbeit mit schwerem oder sperrigem Gerät (Teleobjektiv, Balgen), zumal bei kritischen Lichtverhältnissen, oft erst möglich macht.

Welches Stativ soll’s nun sein?

Unter Berücksichtigung Ihrer sonstigen fotografischen Ausstattung – wenn Sie maximal mit 100 mm Brennweite fotografieren, brauchen Sie kein Stativ, das für 600-mm-Kanonen ausgelegt ist – sollten Sie das schwerste Dreibein kaufen, das Sie über einen längeren Zeitraum hinweg zu transportieren bereit sind. Denn schwere Stative stehen sicherer als leichte aus dem gleichen Material (solche aus Holz dämpfen zudem Vibrationen besser als Aluminiumstative, die aber bei gleicher Arbeitshöhe dank mehr Beinsegmenten meist mit dem kleineren Packmaß wuchern können), sind meiner Beobachtung zufolge meist solider verarbeitet und besser ausgestattet. Von einigen hundert Gramm Gewicht können Sie sich mit einigen hundert Mark Aufpreis freikaufen, wenn Sie ein Carbon-Stativ wählen; für jemanden, der primär beim Wandern fotografiert, mag sich das rechnen.

Lassen Sie sich nicht von den Katalogangaben zur maximalen Arbeitshöhe beeindrucken; die erreichbare Höhe bei voll versenkter Mittelsäule ist zumindest bei leichteren Stativen der einzig relevante Wert, wenn Sie auf maximale Schärfe Ihrer Aufnahmen Wert legen. Wenn die Arbeitshöhe feinfühlig einstellbar sein soll (sinnvoll vor allem beim Arbeiten mit dem Balgengerät), dann ziehen Sie ein schweres Modell mit sicher arretierbarer Kurbel-Mittelsäule in Betracht.

Spielt Gewicht eine Rolle? Verzichten Sie notfalls auf die letzten 20 Zentimeter, die bis zu Ihrer Augenhöhe fehlen. Auch wenn ich (176 cm mit Kopf) das große Stativ (>200 cm ohne Kopf) dabei habe, fotografiere ich eher aus Brust- denn aus Augenhöhe, und viele mir bekannte Fotografen halten es ähnlich. Ein etwas niedrigerer Kamerastandpunkt als der gewohnte ist erstaunlich vielen Motiven zuträglich.

Geben Sie nicht allzu viel auf Gimmicks wie eine umkehrbare Mittelsäule – niemand mit normgerechtem Körperbau setzt sich freiwillig unter sein Stativ, um eine Blume zu fotografieren. Für sehr niedrige Kamera-Standpunkte ist ein spezielles Bodenstativ oder auch ein Bohnensack (ja, das ist genau das, was der Name sagt) viel nützlicher. Gerade für die Natur- und Makrofotografie ist es allerdings von Vorteil, wenn sich die Stativbeine unabhängig voneinander abspreizen und arretieren lassen, möglichst in mehreren Stufen oder auch stufenlos.

Als Beispiel: Ich verwende zurzeit primär zwei Alu-Stative, eines in der 5-Kilo-Klasse (ohne Kopf) und eines um 1,5 Kilo. Ersteres ist immer dann dabei, wenn ich auch mit Brennweiten über 135 mm oder mit Nahzubehör arbeiten möchte; das Kleine ist erste Wahl auf Reisen und dient bei Makro-Aufnahmen als Lampenstativ.

Welcher Kopf?

Für fotografische Zwecke kommen drei Typen von Stativköpfen in Betracht – der klassische Dreiweg-oder 3D-Neiger, der Kugelkopf und der Getriebeneiger.

Der 3D-Neiger erlaubt es, die Kamera in allen drei Achsen separat auszurichten. Bei einfacheren Modellen ist allerdings die Klemmung oft unbefriedigend, und gerade mit längeren Brennweiten findet man das eben eingestellte Motiv schon kurz nach dem Festziehen der Griffe im Sucher nicht mehr wieder.

Dieses Problem stellt sich nicht beim Getriebeneiger. Der funktioniert im Prinzip ähnlich, allerdings muss man keine Hebel lösen und schwenken, sondern dreht nur handliche, exakt selbsthemmende Knubbelknöpfe für jede Ebene. Ein Getriebeneiger ist der langsamste, aber auch präziseste Stativkopf, er bietet sich gerade im Makrobereich an, wo es auf den Millimeter ankommt. Und anders als ein klassischer 3D-Neiger passt er auch ohne Demontage der Griffe in die Stativtasche …

Wenn’s schnell gehen soll – wenn Sie etwa fotografisch eher der Fauna als der Flora nachstellen – und Sie es verschmerzen können, dass die Neigungseinstellung nicht in zwei Ebenen getrennt ist, ist ein Kugelkopf das Gerät der Wahl. Seien Sie allerdings darauf gefasst, dass Qualität – hier vor allem: sanfte, ruckfreie Einstellung auch mit schwerem Gerät – einen Preis hat, der in keiner gesunden Relation zum unscheinbaren Äußeren steht: Für einen hochwertigen Kugelkopf können Sie ohne weiteres 500 Mark und mehr ausgeben. – Ich selbst verwende einen kleinen Kugelkopf für gelegentliche Tierfotografie und als Lampenhalter, während die Mehrzahl meiner Bilder mit Hilfe eines Getriebeneigers entsteht.

Und welche Schnittstelle?

Spätestens wenn Sie mit zwei Kameras und/oder zwei Stativköpfen arbeiten, werden Sie über ein Schnellwechsel-System nachdenken, um die Schrauberei in Grenzen zu halten. Viele hochwertige Köpfe bringen sogar eins mit, aber die Wahrscheinlichkeit, dass zwei verschiedene Köpfe hier kompatibel sind, liegt sehr nah bei Null. Dazu kommt, dass die meisten besseren Wechselplatten für Mittelformatkameras dimensioniert und unter filigranen 35-mm-Kameras lästig bis gefährlich sind. Ich verwende deshalb auf beiden Stativköpfen ein Novoflex Miniconnect. Das Kupplungsstück ist nur markstückgroß, und durch seine runde Form lässt sich die Kamera in beliebiger Richtung auf die Basisstation setzen, was speziell bei Hochformat-Bildern mit Kugelkopf sehr angenehm ist. So kann sich die Kamera zwar theoretisch auf der Grundplatte drehen, dem kann man aber mit einer Lage Gewebeband als „Reibfläche“ vorbeugen.

 
300 mm plus 1,4-fach-Konverter, mitten im Wald an einem regnerischen Tag — ohne stabiles Stativ nicht zu machen