Wer sich oben nach 45 Kilometern Kletterei angesichts der
bevorstehenden 75-km-Abfahrt eine Pause gönnen will, sollte diese
nicht zu üppig ausfallen lassen. Der Weg ins Tal der Maurienne hinab
ist nämlich eine Schinderei. Nur die ersten 10 Kilometer rollt es
von selbst; ab Bonneval erlebe ich (wie seither jedes Mal auf dieser Strecke)
Gegenwind der brutalen Sorte, nicht mal bei kurzen 10-prozentigen Gefällstrecken
muss ich bremsen. Dazu kommt dann noch ein kurzer, gemeiner Gegenanstieg;
alles in allem ist hier die Abfahrt die härtere (und längere)
Arbeit als der Anstieg. Aber das Hotel ist anständig, und ein Zimmer
mit Blick auf das Fort du Télégraphe habe ich auch, um mich
auf morgen zu freuen.
5. Etappe: St. Michel Col du Télégraphe
Valloire Col du Galibier Briançon (75 km und
ein halber Pausentag)
Der Tag fängt gut an: mit 850 gleichmäßig
zu fahrenden Höhenmetern auf perfekter Straße durch einen schönen
Wald. Hinter dem Pass sackt die Straße nur kurz ab nach Valloire
(sehr touristisch hier, trotzdem sollte man zumindest für den Wasservorrat
noch mal halten), um sich dann zu einem neuerlichen landschaftlichen Höhepunkt
aufzuschwingen, der sich hinter dem Iseran nicht zu verstecken braucht.
Das Massif des Ecrins ist so wild und karg, dass ich mich eher auf dem
Mond wähne denn in den Alpen, und auch die Straße zum Galibier
macht enorme Freude. Sie fühlt sich zwar steiler an als die gestrige,
lässt sich aber dennoch gut fahren; und man ist als Radler wieder
entre nous.
Auf der Abfahrt vom Dach der Tour
touchiert man den Lautaret-Pass, bekommt also einen 2000er quasi geschenkt.
Und von dort bis Briançon muss ich mich fast zwingen, ruhig zu
rollen und die Landschaft anzuschauen, weil die sanft abfallende, perfekt
ausgebaute Straße geradezu um Hochgeschwindigkeits-Orgien bettelt:
Sie fährt sich dank weniger, weit geschwungener Kurven so komfortabel,
dass selbst bei Dauertempo 60 noch Muße fürs Panorama bleibt.
Briançon ist trotz seiner Größe
gut besucht, ich finde erst im zweiten Hotel ein Bett. Wer in einer Gruppe
unterwegs ist oder übers Wochenende hier ankommt, sollte unbedingt
vorbuchen! Mit seiner entzückenden Altstadt und dem üppigen
Gastro- und Hotel-Angebot drängt sich Briançon allerdings
trotz der Kürze der Etappe als Unterkunftsort auf, zumal es auf der
Route des Grandes Alpes vor dem Refuge unter der Izoard-Passhöhe
nichts Nennenswertes mehr gibt.
6. Etappe: Briançon
Château-Queyras Abstecher zum Belvédère du
Cirque unterhalb des Mont Viso Guillestre Ste. Marie-de-Vars
(124 km)
Der Izoard ist eine dieser kleinen Pretiosen,
auf denen sich dem Auge alle paar hundert Meter etwas Neues bietet: unten
herum lichter Nadelwald, im oberen Bereich karg und nach Süden hin
geradezu bizarr mit seinen Felsformationen namens Casse Déserte.
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