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Jura 2005, Tag 5/6

Zu Tag 3/4

5. Etappe: Le Pont–Col de la Faucille,
79 km, 1600 Höhenmeter

Nachts hat es wieder geregnet, und auch zum Aufbruch hängen die Wolken noch tief. Doch auch ohne stechende Hitze wird der Vormittag ungewöhnlich schweißtreibend. Denn weil ich die lange Anreise aus Norddeutschland nicht auf mich genommen habe, um am Seeufer zu radeln, strample ich gleich hinauf zum Col du Mollendruz und zur Ferme Les Croisettes, wo die Tour regelrecht abenteuerlich wird:

Die folgenden 13,5 Kilometer knapp unterhalb des Mont Tendre bis zum Col du Marchairuz haben von grobem Schotter über nasse Wiesenhänge, steile Felsstufen und Wurzelpisten bis zu tiefem Schlamm für jeden Gelände-Geschmack etwas zu bieten – nur mehr als ein paar Minuten am Stück fahren kann man fast nie, im Gegenteil will das Rad abschnittsweise sogar getragen sein. Dazu kommt, dass meine Route nicht durchgängig beschildert ist (viele Wanderwege an diesem Hang sind allerdings noch weniger befahrbar); im Wald und bei dichter Bewölkung ist also gutes Orientierungsvermögen gefragt.

Am Mont Tendre

Radwandern für Fortgeschrittene, hier am Mont Tendre

Um die Mittagszeit ist die Maschine bis fast zu den Bremsscheiben hoch verschlammt, sind meine Schienbeine verschrammt und ist der Col du Marchairuz erreicht. Die anschließenden zehn Kilometer durch den Parc Jurassien Vaudois kommen mir zur Erholung sehr entgegen, denn beim unbeschwerten Rollen über diese fast flache Straße kann das Auge nochmals über ausgedehnte, von Kalksteinmauern durchzogene Magerwiesen schweifen, wie sie für den Jura so typisch sind.

Als hinter dem Bauernhof La Bassine das Asphaltband scharf nach Südosten abbiegt, um die Jurahöhen in Richtung Genfer See zu verlassen, sage ich der Veloroute 7 für dieses Mal „au revoir“, denn ich möchte dem Gebirgszug noch einen weiteren Tag lang folgen. Nach einem köstlichen Bergkäseteller zum Mittagessen bei der Ferme Les Pralets geht es also zunächst wieder unbefestigt, aber nur sanftwellig weiter über die Almwiesen und dann über den Col de la Givrine nach Frankreich. Sofort hinter der Grenze drängt sich plötzlich eine Vielzahl an Übernachtungsquartieren auf: Gîtes d’Etape und ähnliche Herbergen vermisse ich in der Schweiz immer wieder schmerzlich.

Mit der Übernachtung habe ich’s aber noch nicht eilig. Zunächst einmal durchquere ich auf einem romantischen Sträßchen den Fôret du Massacre (der düstere Name dieses lichten Waldes geht auf die Religionskriege zurück), um dann von Mijoux aus telefonisch ein  Zimmer auf dem Col de la Faucille zu buchen – dem Scheitelpunkt einer jener langweiligen, für den Schwerverkehr ausgebauten Bergstraßen, auf denen man sich ständig gebremst fühlt, ohne spürbar Höhe zu gewinnen, doch zum Sonnenuntergang ist es dort oben einfach viel schöner als im Tal.

6. Etappe: Col de la Faucille–Genf,
58 km, 750 Höhenmeter

Der Hausberg des Mini-Skigebiets am Faucille-Pass ist der Petit Montrond. Ihn erklimme ich nach dem Frühstück zuerst und genieße die noch fast wolkenlose Aussicht Richtung Genfer See und Alpenvorland. Es schließt sich die Route forestière de la Maréchaude an, eine kaum enden wollende, für den Kfz-Verkehr gesperrte Asphaltstraße auf 1300 Metern Höhe, die anfangs zwar kein Panorama bietet, doch immerhin sehe ich im Wald die erste Gämse dieses Urlaubs.

Kurz vor dem Col de Crozet geht’s dann nochmals ans Eingemachte: Sämtliche Wege sind bestenfalls Maultierpfade, lose belegt mit sehr grobem Schotter; selbst die paar unbepackten Vététistes (nach VTT, dem französischen Synonym für MTB), die mich am Pass überholen, tun sich hier oben unglaublich schwer. Da ich gut in der Zeit bin, schiebe ich meinen Packesel in der Hoffnung auf ein letztes Panorama zumindest noch bis auf 1600 Meter zum Montoisey hinauf. Doch dieses Mal ist mir das Glück nicht hold: Bis ich oben bin, ist’s rundum komplett zugezogen.

Nun denn, mit der folgenden Abfahrt habe ich noch genug zu tun: 650 extrem steile Höhenmeter, durchgängig eher Geröllhalde denn Schotterpiste, fordern Mensch und Maschine mehr als so mancher knackige Anstieg. Auch auf der Südseite des Kamms schließen sich auf halber Höhe nochmals zehn entspannende Kilometer auf einer mäßig asphaltierten Route forestière an, bevor ich schweren Herzens nach Genf hinab- und in die Zivilisation zurückrolle.

Zur Einleitung

Abfahrt vom Col de Crozet

Konzentration gefragt: Holprige Abfahrt vom Col de Crozet